Informationsspezialisten zwischen Technik und gesellschaftlicher Verantwortung (Seite 13)


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Zu diesem Themenkomplex lud eine Projektgruppe der Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen (HBI) in Stuttgart Anfang Dezember 1995 zu einem internationalen Kongreß ein - und viele kamen. Das Interesse zur Teilnahme war sogar so groß, daß die Räumlichkeiten des Hauses der Wirtschaft bei etlichen Veranstaltungen an ihre äußersten Grenzen stießen und die Teilnehmerzahlen einiger Vorträge und Workshops begrenzt waren.

Den Organisatoren (Mitglieder der Projektgruppe waren auch unsere Tübinger Praktikantinnen Michaela Schüssler und Simone Eberhardt) wurde von allen Seiten großes Lob gezollt und auch die Qualität der Vorträge überzeugte.

In den Eröffnungsvorträgen wurden Zukunftsperspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten der Gesellschaft und des Informationswesens überlegt.

Im Themenkomplex "Kundenorientierung in der wissenschaftlichen Bibliothek" stellten Kollegen aus Freiburg, Hohenheim und Heidelberg die Erwartungen und Erfahrungen von WissenschaftlerInnen und Bibliotheksbenutzern mit Online-Informationsdiensten ihrer Bibliotheken dar. Dabei stellte sich heraus, daß Wissenschaftler gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften stärker an Diensten wie Internet, E-mail u. ä. interessiert sind, als bislang vielleicht vermutet und daß Bibliotheksbenutzer das Internet hauptsächlich für Literaturrecherchen verwenden. Die Befürchtung, die Benutzer würden nur unwissenschaftlich wild im Internet herumsurfen, hat sich nicht bestätigt.

In der Vortragsreihe "Provider and supplier" formulierte Thomas Dierig Überlegungen zum Aufgabenwandel in Bibliotheken durch die elektronischen Medien. Besondere Probleme könnten den Bibliotheken bei der Datensicherung entstehen. Da Daten auf Disketten möglicherweise bereits nach 2 Jahren nicht mehr lesbar sein können, ist etwaiges Umkopieren gegebenfalls auch auf neuere Speichermedien erforderlich. Besondere Anforderungen an die Bibliothekare sieht er in der Übersicht über den Informationsmarkt, in der Kenntnis der zur Deckung des Informationsbedarfs geeigneten Techniken und zur Zusammenführung der Informationen und der Erschließung der Quellen. Anschließend wies Frau Nagelsmeier-Linke (bis Mai 1995 stellvertretende Direktorin der UB Konstanz, seit Juni 1995 Direktorin der UB Dortmund) auf die Möglichkeiten der elektronischen Fernleihe hin und setzte sich für ein kostenfreies Zur-Verfügung-Stellen von Informationen für die Bibliotheksbenutzer ein.

Paul Sturges, der einen der beiden Vorträge zum Problemfeld der virtuellen Ethik hielt, mahnte an, daß man sich bei aller Begeisterung fürs Internet und seine Dienste (speziell auch E-mail) darüber im klaren sein sollte, daß Fragen zu Eigentum (wem gehört die Information?), Qualitätssicherung, Umgang mit privaten oder gar vertraulichen Daten, kaum zu klären sind. Denn so manchem, der eine Nachricht über E-mail verschickt, wäre nicht bewußt, wer diese Nachricht denn sonst noch so liest und zu welchem Zweck auch immer nutzt. Da erstaune es auch nicht weiter, daß die Überprüfung von E-mails ihrer Angestellten von Firmenchefs zunehmend zur Mitarbeiterkontrolle herangezogen wird.

Die HBI ließ es sich natürlich nicht nehmen, die wiederum von einer Projektgruppe erstellte Homepage des HBI vorzustellen. Sie ist unter der Adresse http://www.uni-stuttgart.de/UNIuser/hbi/hbihome.htm(internet-link: "http://www.uni-stuttgart.de/UNIuser/hbi/hbihome.htm") zu erreichen. Auch dies eine Projektarbeit, die bei den beteiligten Studenten besondere Einsatzbereitschaft, Selbständigkeit und Eigeninitiative voraussetzt, vor allem, da fortwährende Aktualisierung erforderlich ist.

Alle musikwissenschaftlich Interessierten informierte Professor Wolfgang Krüger über den Stand der musikbibliothekarischen Ausbildung an der HBI, über CD-Rom- und Online-Datenbanken im Musikbereich sowie über das Juke-Box-Projekt und Musik im Internet. Abgeschlossen wurde diese Vortragsreihe durch einen Erfahrungsbericht von Michael Schaarwächter aus der UB Bonn, der schilderte, wie das Medium E-mail die Arbeitsweise und Kommunikation der Bibliotheksmitarbeiter verändert.

Wem nun der Kopf vollends schwirrte, der konnte bei dem Video-Vortrag "Stille, Ordnung, Katastrophen" vergnüglich entspannen. Ein amüsanter Überblick über Bibliotheken und Bibliothekare im Film. Zu sehen sind da die "typischen" Bibliothekarinnen mit Brille und Dutt, die außer einem scharfen "Psssst!!!" kein Wort mit ihren Benutzern wechseln oder wilde Verfolgungsjagden durch Magazine, die meist mit umstürzenden Regalen und verheerendem Chaos enden. Außerdem gibt es Zombies und andere Monster, die plötzlich zwischen Regalen erscheinen oder gar wie in Ghostbusters ein zarter Engel am Katalogschrank, der sich plötzlich in einen fürchterlichen Geist verwandelt. Alles in allem ist die Bibliothek im Film nicht unbedingt der Ort, der zum begeisterten Verweilen einlädt, was uns auch besonders Audrey Hepburn in "Frühstück bei Tiffanys" verdeutlicht.

An dieser Stelle kann wegen der Vielfalt und des Umfangs nur ein Teil der Vorträge vorgestellt und grob skizziert werden. Interessenten darf der Tagungsband (1) empfohlen werden, der beinahe alle Vorträge in Volltextform enthält.

(1)
Informationsspezialisten zwischen Technik und gesellschaftlicher Verantwortung : Internationaler Kongreß der Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen vom 4.-5. Dezember 1995 / veranst. von der Projektgruppe Kongreß '95 der HBI Stuttgart. - Stuttgart : HBI, 1995. ISBN 3-00-000386-X

(Elke Bidell)


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TBI 1/1996



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